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Die Prager Werkstatt |
Neben den Arbeitsorten in Mailand und Spanien (El Escorial) spielt Prag mit seinen Werkstätten die wichtigste Rolle der Steinschneiderfamilie Miseroni. 1587 empfing Kaiser Rudolf II. den Grafen Claudio Trivulzio aus Mailand auf seiner Prager Burg. Graf Claudio Trivulzio überreichte dem Kaiser ein Geschenk: Ein Rubin in der Größe des kleinen Fingernagels, auf dem der Reichsadler eingraviert war. Auf seiner Brust befand sich ein Bildnis von Kaiser Rudolf II., der am Hals den spanischen Kragen trug. Wunder über Wunder ; ein Werk eines scharfen Auges und einer hervorragenden künstlerischen Hand. Die Absicht, die der Schenker mit diesem Werk verfolgte, blieb nicht ohne Folgen. Der Kaiser lud 1588 den Künstler Ottavio Miseroni und seine Brüder nach Prag. [2-65],[4-291] |
Kaiser Rudolph II. war in Europa bekant für seine Liebe zur Kunst. Er sammelte alles, schuf die bedeutenste Kunstsammlung seiner Zeit. In seiner Schatzkammer auf der Prager Burg (dem Hradschin), lagerten unglaublich viele Edel- und Halbedelsteine, die dieser Zeit auch heilende Strahlenwirkung nachgesagt wurde. Es fanden sich auch Rhinozeroshörner, Muscheln, Krokodilhäute, verschiedene Vogeleier, Schildkrötenpanzer und weitere exotische Schätze darunter. Eine Waffenkammer mit umfangreichen Bestand, eine Geo- und Astronomische Sammlung und schliesslich eine umfangreiche Bibliothek rundeten die kaiserliche Sammlung ab. Mit Stolz führte er seine Gäste aus benachbarten Ländern durch seine Sammlung . (Mehr zum Thema hier) |
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Kaiser Rudolph II versuchte die bedeutensten Künstler Europas an seinen Hof zu ziehen, sollten sie mit weiteren Stücken seine Sammlung weiter bereichern. Auch Ottavio Miseroni genoß die Gunst des Kaisers, nach damaligen Quellenberichten sei er gar besonders vom Kaiser geliebt für seine Arbeiten. Am 2. September 1608 adelte der Kaiser den Steinschneider Ottavio Miseroni und seine Brüder Alessandro, Johann, Aurelio und Ambrogio Miseroni mit einem lateinisach gefassten Adelsbrief [Adelsbrief im Österreichischen Nationalarchiv] . Damit stand die Familie Miseroni im erblichen Adelsstand und wurden in den Adel der Erbländer Rudolfs II. aufgenommen. [2-68] Kaiser Rudolf II. wurde 1611 von seinem Bruder Matthias gefangen genommen, und verstarb bereits 1612. |
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Wappen der Miseroni von Lisone 1608 / Family coat of arms 1608 |
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Das Wappen der Familie Miseroni wurde bestätigt, und ein Helm mit goldener Krone gekrönt. Es besitzt als Helmzier einen ausgebreiteten, nach vorn schauenden Adler, dessen Schnabel offen mit roter aufgeschlagener Zunge sichtbar ist. [2-69] Das Familiensiegel besteht aus einem Oval im Muster des Wappens. Ottavio war nun auch Schatzmeister der Prager Burg und wachte über die Sammlungen. |
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Von den ersten Miseroni am Prager Hofe hatte Alessandro zwei Töchter, während Ottavio fünf Söhne hatte, die die böhmische Linie der Miseroni begründeten, sowie vier Töchter. [2-69].
Einer der Söhne Ottavios war Dionysio Miseroni. Vermutlich 1607 geboren, er trat erst am 28. Juni 1607 mit der Taufe in den Archivakten des St. Veit-Domes auf [8-109]. Er erlernte von seinem Vater die
Steinschneidehandwerkkunst, half in dessen Werkatt mit. Bereits 1623 übertrug Kaiser Ferdinand II. die Steinschneiderbesoldung vom Vater Ottavio auf den Sohn Dionysio. Sein Bruder, Hieronymus Miseroni |
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Dionysio Miseroni war zweimal verheiratet. Seine erste Frau war Judith, die Tochter des wohlhabenden Grundbesitzers und Kaufmannes Georg Mayer von Burgrieden. Seine zweite Frau Katharina Pi¥ (= Pitsch), dessen Vater war ein Kriegsmann, der 1602 zu “Peter Pitsch von Lilienfeld” geadelt wurde. Ihre Schwester Anna war in erster Ehe mit dem Lichtkämmerer Kaiser Rudolfs II. verheiratet. Ihr zweiter Mann war Johann Karl König von Königsfeld, der Nachfolger Ottavio Miseronis als Schatzmeister in der Prager Burg, dem Dionysio ab 1630 als Adjunkt beiseite stand. [8-111] |
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Nachdem Dionysio Miseroni Schatzmeister für die Schatzkammer in und unter der Prager Burg wurde, erreichten ihn zahlreiche neue Aufgaben. 1637 hatte Kaiser Ferdinand III. den Thron bestiegen, und er überliess dem Steinscheider Miseroni wenige Monate später als kaiserliche Gnadenrekompens den Tiergarten und die Mühle in Bubentsch am Rande von Prag. Ferner wünschte der Kaiser einen entsprechenden Umbau seiner Räume in der Prager Burg. Da die Umbauten nicht in seiner gewünschten Eile und sorgfalt durchgeführt wurden, beauftrage er Dionysio Miseroni als Bauaufsichter für den Umbau auf der Burg. Dafür erhielt Dionysio ab 1642 auch zusätzlich eine Kammerdienerbesoldung. 1643 war der Schloßumbau unter Leitung von Dionysio Miseroni beendet. 1644 erhielt Dionysio den Auftrag, die Kapelle auf der Prager Burg zu errichten. Einen Tabernakel für den Altar in der Schloßkapelle liess Dionysio in seiner Werkstatt aus edlen Steinen anfertigen, die Zahlungen erstrecken sich bs in das Jahr 1653 hinein. Im April 1650 erfolgte ein weiterer Auftrag zur Errichtung der Mariensäule auf dem Altstädter Ring. [8-114] |
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Im Dezember 1638 erhielt er über den k.k. Schatzmeister aus Wien, Grafen von Khillenberg einen Brief vom Kaiser überreicht, der seit dem Prager Fenstersturz 1618 in Wien regierte und die Staatsgeschäfte von dort regelte. Kaiser Ferdinand II. wies an, die unglaublich reiche und umfangreiche Schatzsammlung der Prager Burg in Etappen und getrennten Transporten verschiedener Wege nach Wien umzulagern. Hintergrund waren die absehbaren unruhigen Zeiten bedingt des 30-jährigen Krieges in Europa. Prag schien nicht sicher genug und zu dicht an den Ereignissen. Die böhmischen Krönungskleinode seien in Wien sicherer in der Verwahrung der dortigen Schatzkammer. Die Erinnerung an den vorhergehenden Einfall der Sachsen und die daraus entstandene Belagerung der Stadt Prag drängten zu dieser Entscheidung. Unter größter Geheimhaltung wurde sogleich die böhmische Krone, den Reichsapfel und das Zepter per Boten direkt an den Kaiser nach Wien gesendet. [2-72] Diese Entscheidung erwies sich nach nur 10 Jahren als richtig, auch wenn längst nicht die gesamte Kunstsammlung nach Wien überführt werden konnte. |
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Die Prager Bürger verteidigten die Stadt und konnten sich lange gegenüber den Schweden behaupten. Die Nachricht vom Friedenvertrag erreichte auch die schwedischen Truppen unter Führung des Generals von Königsmark. Karl Gustav, Pfalzgraf am Rhein und Herzog zu Zweibrücken hatte den Beschluß gefaßt, sich mit den Truppen der beiden Generäle Königsmark und Wittenberg zu verbinden und Prag anzugreifen. Die noch immer gut gefüllte Schatzkammer im Prager Haradschin galt es einzunehmen, schließlich würden die Generäle damit bei ihrer Wiederkehr am heimischen Hofe unsaglichen Ruhm ereilen. [6-118] |
Die Schweden eroben recht schnell diie Prager Burg, die Einnahme der Altstadt gelingt ihn ob der Gegenwehr der Bürger nicht so leicht. Sie zieht sich über Wochen hin. Die Schatzkammer in der Prager Burg war ausgeräumt als die Schweden diese erreichten, dennoch war man sich sicher, dass der Schatzmeister Miseroni die edlen Güter in den weitläufigen Gängen, Schächten und Höhlen unter dem Prager Haradschin versteckt hat. Um ihm das Geheimnis zu entlocken, bedrängten die Kriegsherren den Schatzmeister Miseroni. Gutta Veidl beschreibt die Erstürmung des Prager Haradschin in ihrem Roman [6] sehr detailliert. Dionysio wird in der Prager Burg festgehalten und drohte mit Folter, wenn er nicht Auskunft über die Schätze machen würde. Gutta Veidl schreibt hierzu: |
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In den Gängen und Tunneln unter dem Prager Haradschin versteckte Dionysio die noch immer stattliche Kunstsammlung des Kaisers, geschützt durch eine Felssteinmauer im Tunnellabyrinth unter der Burg sowie schwere Türen, die die Räume dahinter nicht erahnen liessen. Die Schewden und ihre Verbündeten räumten die Prager Burg nicht gänzlich aus, Legenden berichten von 1500 Kutschen, die notwendig waren, die Beute in die neuen Königshäuser zu bringen. Einiges konnte Dionysio jedoch auch einges an anderer Stelle in den Burgverließen verstecken, was heute in den Prager Museen und Galerien zu betrachten ist. |
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Viele Schätze aus der Prager Kunstsammlung gingen auf der Reise quer durch Europa verloren, wurden für andere Schätze eingetauscht, zerbrachen oder fielen durch weitere Überfällen anderen in den Besitz. Nur ein kleiner Teil der Beute erreichte 1649 auch wirklich das schwedische Königshaus. Hier sind einige Schätze auch an andere Königshäuser abgegeben oder eingetauscht worden. Auch dies ist ein Grund, wieso die Beutestücke heute auch in ganz Europa verteilt sind, und auch in Privatbesitzen oder bisher nicht öffentlich bekannte Werke auftauchen können. --> Zur Vertiefung des Themas siehe Beitrag von ELIŠKÁ FUCIKOVÁ “Das Schicksal der Sammlungen Rudolfs II. vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges” auf der externen Webseite des Landschaftsverband Westfalen-Lippe Die größte zusammenhängende Sammlung der einstigen Prager Kunstschätze befindet sich durch die Evakuierung eines Teils der Sammlung auf
Befehl des Kaisers von 1638 heute im Kunsthistorischen Museum (KHM Wien) . Nach dem Abzug der Schweden war die Prager Burg praktisch ausgeleert und Dionysio konnte sich nur mit Bestürtzung an die Vernichtung seiner langjährigen
Pflege erinnern. Auf grund seiner unermeßlichen Energie und seines Arbeitseifers zerbrach er jedoch nicht. Schon im Jahr 1650
bearbeitte er den einmaligen Fund aus den Alpen: einen gewaltigen Bergkristall. Er schuf daraus eine 115 cm hohe Glaspyramide, die heute in Wien (KHM) zu sehen ist. Dionysio erbaute auch als Bauverwalter der Burg den neuen
zwischen dem zweiten und dritten Flügel liegenden Flügel, erneuerte in Bubenec auch seine Schleiferei in Kaisermühl, errichtete die schon angeführte Mariensäule und befaßte sich mit der zunehmenden Schifffahrt auf der Moldau und
Elbe. Er beendete auch sein Kunstwerk: den Tabernakel aus Edelsteinen in der von ihm errichteten Burgkapelle. Das Familienwappen der Miseroni wurde 1653
durch den Kaiser nochmals bestätigt, der Familie das Prädikat “von Lisone” verliehen Dionysio arbeitete weiter in seiner Werkstatt, und lerne über die Jahre seinen Sohn Eusebius an. Erste Stücke schufen sie noch gemeinsam,
oder Dionysio arbeitete sie nach. Dionysio starb 1661 in der Prager Altstadt und wurde auch dort beerdigt. Die Familiengruft ist heute leider nicht mehr erhalten. [2-73] Ferdinand Eusebius Miseroni führte das mt als
Schatzmeister sowie die Werkstatt weiter, jedoch erreichte er nicht die Qualität seines Vaters, konnte aber seine Werke noch verkaufen. Er verarbeitete jedoch keine hochwertigen Edelsteine sondern nutzte überwiegend den
Bergkristall und Rauchglas. Herausragende Einzelwerke, die seinen Vater berühmt machten, kann er nicht vorweisen, dennoch erhielt er noch die Gunst des Kaisers. Ferdinand Eusebius soll mit Hingabe Besucher und
Kunstfreunde durch die kaiserliche Kunstkammer geführt haben, die sich auch langsam wieder mit neuen Schätzen füllte. Am 24.11.1674 wurden die beiden Brüder und Söhne Joan Oktavio Miseroni von Lisone (Joan=Jan) und
Ferdinand Eusebius Miseroni von Lisone in den böhmischen Ritterstand erhoben. Sie, und ihre Nachkommen dürfen sich fortan “Edler Ritter Miseroni, Herr von Lisone” nennen. Nach dem Tode
des Vaters Dionysio verschlechterte sich die abgeleistete Handwerkskunst aus dem Hause der Miseron. Ferdinand Eusebio geriet in Zahlungsschwierigkeiten. Er starb 1684.
Damit endete auch die Geschichte der Steinschneidewerkstatt der Miseroni. Die Familie lebte noch viele Jahre weiter in Prag, noch heute finden sich verwandte Familienteile in Tschechien, Österreich und Deutschland, die von dieser
Linie abstammen (so auch der Verfasser). Deutlich wird jedoch die enge Verbundenheit der Familie Miseroni mit der Stadt Prag, dem Einfluß der Familie auf die Entwicklung der damaligen Zeit.
Seit einiger Zeit gibt es die Überlegung, die Kaisermühle Bubenec
wieder in der Zeit der Schleifwerkstatt Miseroni zu rekosntruieren. Ebenso wären Gedenktafeln zur Erinnerung an die Miseroni an den damaligen Wohnorten wünschenswert, dieses Kapitel der goldenen Stadt Prag nicht zu vergessen.
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Quellenangaben: [Listennummer-Seitenzahl] [2] Franti [3] Stammbaumunterlagen aus dem privaten Familienarchiv des Autors
[5] Adelsurkunde aus dem Jahr 1608, Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allg. Verwaltungsarchiv, Reichsadelsakten
[6] Gutta Veidl, “Die Prager Bruck” historischer Roman um 1910 geschrieben, 1943 veröffentlicht im Andree Verlag, Prag [8] Rudolf Distelberger, “Dionysio und Ferdinand Eusebio Miseroni”, erschienen im Jahrbuch der
Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, Band 75, 1979 [9] O.J. Blazicek, “Š [11] Hrady, zámky a tvrze v
Cechách, na Moravé a ve Slezsku, Band 4, Prag, 1985, Übersetzung von Markus Jurziczek von Lisone, vielen Dank an Michaela Lelék aus Norwegen |
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[Familie / Family] [Die Kunst / The art] [Prag / Prague] [Schloß /Castle Krasov] [Verweise / Links] |