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Die Familie Miseroni |
Die Spuren der Familie Miseroni führen bis 1480 nach Mailand zurück. Im Verzeichnis der Innungsmitglieder Mailands von 1460 findet sich der Eintrag von Goldschmied Francesco Miseroni wieder, der einen Affen als Meisterzeichen führte. Francesco war 1468 und1475 consul sowie 1480 und 1488 abbas der Innung. Francecso Miseroni hatte 4 Söhne. Gasparo Miseroni und Girolamo Miseroni führten das Kunsthandwerk des Vaters weiter. Gasparo wurde etwa 1518 geboren, Girolamo 1522. [1] |
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Die Mailänder Werkstatt / The workshop in Milano |
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künstlerische Expansion des Mailänder Familienbetriebes. Die Mailänder Werkstattbei S. Tommaso wurde von den Söhnen des Giovanni Ambrogio Miseroni (Gasparo und Agostino Miseroni) weitergeführt. 1586 sind in der Pfarre S. Tommaso drei Häuser der Miseroni zugehörig, sie bewohnten jedoch nur eines mit 23 Personen. Die anderen waren vermietet. Die Arbeit der Miseroni in Mailand verstummt nach Ausbruch der Pest im Jahr 1630 plötzlich; nach 1633 gibt es keinen Nachweis zur Familie Miseroni in Mailand mehr. [1] |
Arbeit im Palast Escorial / Work in the palace Escorial |
Über Spanien, wo der Habsburger Philipp II. regierte, erreichte nun die Renaissance Mitteleuropa. Wie zahlreiche andere Künstler boten auch die Miseroni ihre Arbeiten im Habsburger Reich an. Maßgeblich betraf dies die nächste Generation der Familie Miseroni. Girolamo (landesspezifisch auch Gieronymo oder Hieronymus geschrieben) heiratete 1549 die Prudentia Rossi. 1558 heiratete er ein weiteres Mal eine Isabella Borsana. Die erste Ehe blieb kinderlos, aus der zweiten Ehe sind folgende Kinder bekannt: [1], [2] |
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Der Vater Girolamo lehrte mit dessen Onkel Gasparo den 9 Söhnen die Handwerkskunst . Über die Töchter ist nichts bekannt. Julio (ital. geschrieben = Giulio
) zog es 1582 zum Bau des |
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Edelsteintabernakel des Hauptaltars im 90 Meter hohen Dom. Auch das schwarze Königswappen aus Onyx wird den Miseroni zugeschrieben. [2] Giulio arbeitete noch bis 1591 in Madrid, Girolamo kehrte möglicherweise schon vorher zurück nach Milano. Giulio blieb nach den neuesten Recherchen nicht in Madrid , sondern kehrte wie sein Vater zurück nach Milano. [1] Giovanni (Johann) Ambrogio Miseroni wurde Girolamos Nachfolger für die Mailänder Werkstatt. Er führte sie erfolgreich bis zu seinem Tode im Jahr 1612. [2] |
Die Prager Werkstatt / The Prague workshop |
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Ottavio Miseroni wurde am 22.1.1588 im Alter von 19 Jahren von Kaiser Rudolf II. als Edelsteinschleifer angestellt. Er erhielt die Verbindung zur Werkstatt des Vaters Girolamo, dieser reiste auch mehrmals von Mailand nach Prag. Ottavio Miseroni ging nicht allein nach Prag, sondern bediente sich der Hilfe seiner Brüder. |
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Von den ersten Miseroni in Prag hatte Alessandro zwei Töchter, während Ottavio fünf Söhne und vier Töchter hatte, die die böhmische Linie begründeten. Hieronymo studierte die Beamtenlaufbahn in Prag, war u.a. k.k. Kriegssekretär sowie Kanzler des Malteserordens. Er starb 1654 unvermählt nach einem Magenleiden in Karlsbad. Karel Jan Ambros wurde als Verwalter und Pächter des Lebensmittelzolls in Prag reicher Eigentümer von Realitäten (Grundstücke) in der Alt- und Neustadt Prags. Frantisek (deutsch: Franz) war ebenso Beamter. Nach der Heirat mit Anna Splendida, Tochter seines Amtskollegen Gotthard Gräf von Gräfenberg. Mit der Mitgift der Ehe kauften sie die Herrschaft Krasov. Dionysio Miseroni erbte allein das Talent des Vaters und Großvaters in der Steinschneidekunst. Er wurde der berühmteste Künstler der Familie. Sein Vater Ottavio ebnete ihm die nachfolge am kaiserlichen Hofe. Kaiser Rudolf II. verstarb bereits 1612, sein Nachfolger Kaiser Ferdinand II. verzichtete nicht auf die Arbeit der Miseroni. Mit dem Tode von Ottavio 1624 übernahm Dionysio das Amt des Assistenten des Verwalters der kaiserlichen Sammlungen, und schon 1637 wurde er alleiniger Verwalter der der kaiserlichen Schatzkammer in der Prager Burg. Er galt als ungewöhnlich tatkräftig und als treuer Vertreter der regierenden kaiserlichen Familie. Der Kaiser folgte dem Hof nach Wien, die Schatzsammlung verblieb in der Prager Burg. Die Aufgabe, die Dionysio in Prag übernahm ist nicht genau zu beschreiben. Praktisch jede Handlung in der Stadt ist mit seinem Namen verbunden. So war er unter anderem der Inspektor für die Befestigungen der königlichenStädte, dann für die Prager Burg und ließ vieles in Prag umbauen und ergänzen. Seine Werkstätten befanden sich in der kaiserlichen Burg (Kammerschleiferei) sowie die Manufaktur in Bubenec (Kaisermühle). Er handelte mit Edelsteinen, investierte in Immobilien und weiterhin arbeitete er an wertvollen Stücken. |
Der Dreissigjährige Krieg / Thirty Years' War |
Im Dezember 1638 erhielt Dionysio in Prag einen Brief von Kaiser Ferdinand II. aus Wien. Der Brief kündigte den Besuch des Grafen von Khillenberg an, Verwalter der Schatzkammer in Wien. |
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Gutta Veidl schrieb 250 Jahre später einen historischen Roman über die Ereignisse 1648 in Prag, in der Dionysio Miseroni die Hauptrolle spielt. Er wird unter Folter zur Herausgabe der Schätze gezwungen, die er sorgfältig in den weitläufigen Kellergewölben der Burg versteckte. [6] Der Roman beschreibt auch die Verhältnisse und Arbeitsgebiete des Dionysio und gibt einen nahezu authentischen Eindruck der damaligen Situation wieder (Siehe Linkliste). |
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Schon im Jahre 1650 bearbeitete er einen einmaligen Naturfund: den größten je gefundenen Bergkristall in Europa. 1653, als der Maler Karel Š kréta die Familie malte, befand sich die das Werkstück im Bildportrait noch unvollendet. Das Bild des Malers Škréta ist heute im Nationalgalerie auf der Prager Burg zu sehen. |
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Nach dem Tode des Vaters Dionysio verschlechterte sich die abgeleistete Handwerkskunst aus dem Hause der Miseron. Ferdinand Eusebio geriet in Zahlungsschwierigkeiten. Nach seinem Tode
am 17. Juli 1684 bat die Witwe (2. Ehe) Maria Elisabeth Miseroni von Lisone, geborene Tichtl von Tutzingen um Überlassung der Kristallschneiderei sowie des Quartiers. Der kaiserliche Oberkämmerer Gundaker
von Dietrichstein veranlasst die Auszahlung der noch ausstehenden Arbeitskosten und übergab das Amt des Schatzmeisters in Prag an Franz Leux von Leuxenstein. Die letzten ausstehenden Zahlungen erhielt die Witwe erst im
November 1696 aus der Staatskasse. [8-188] Damit endete die ruhmreiche Geschichte der Steinschneidewerkstatt Miseroni in Europa. 1707 wird ein Vaclav Dionysio Miseroni als Besitzer des Cestiner Landes erwähnt, ein
Enkel Dionysios (Sohn von Ritter Johann Oktavius) als er einen Teil seiner Wälder verkaufte, um dort ein Glasbläserdorf entstehen zu lassen. Vaclav Dionysio Miseroni von Lisone
kaufte 1716 ein Haus in der Ortschaft Teresov, (bei Zbiroh) und baute sich dort bis 1723 eine barocke Burg. 1737 wird die Familie Miseroni dort noch erwähnt. Zbiroh liegt an der Autobahn Prag-Pilsen (Exit 41), Teresov wenige Kilometer dahinter. Die Burg existiert noch immer. Das
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Die Familie nach dem Ende der Werkstatt / The family after the end of the workshop |
Die Familie blieb auch in den folgenden Jahren in Adelskreisen, Vermählungen mit den Häusern von Frankenfeld, von Petersdorf, von Vacinov, von Cernosic, von Aschfeld , von Hostin, von Ehrenkron, von Kvetnice, von Gemsenburg, von Langenburg, von Most, von Venznik, von Malovec, von Broz sind dem Stammbaum zu entnehmen (liegt dem Verfasser vor). Der Familienname reiste so durch ganz Europa und ist auch heute noch in weiten Teilen anzutreffen. Der Name veränderte sich hierbei je nach Landessprache in Miseron von Lison, und allen weiteren denkbaren Schreibweisen (Miseronovè, Misseron, Miserony, Misseroni, Lisony, Lyson, Lisonu u.s.w.). In einigen Ahnenlinien ging der Name Misernoni verloren, es blieb nur der Adelsname Lison (bspw. polnische Linie), oder dieser ging verloren (bspw. Misernové, tschechische Linie). |
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Als besonders kinderreich kann die Linie des Vaclav (= Wenzel) Martin Miseroni von Lisone verfolgt werden. Ihm sind mit seiner Frau Marie Vasinovska 18 Kinder nachzuweisen. |
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Diese kurze, keinesfalls vollständige Reise durch die Familiengeschichte der Miseroni zeigt, wie verbunden die Miseroni mit der Kunstgeschichte der späteren Renaissance und des frühen Barock in Europa ist. Die Kunst bereichert noch heute zahlreiche Museen und Privatsammlungen auf dem Kontinent und zählen zu sehr hoch gehandelten Kunstobjekten. Auch zeigt die reise durch die Familiengeschichte, dass die Miseroni nicht nur in der Kunst tätig waren, sondern auch hohe militärische Würdenträger stellten und sich an der Verwaltung Böhmens beteiligten. Die Familie Miseroni ist eng mit der böhmischen Geschichte verbunden, was in den Geschichtsbüchern nachzulesen ist. [2-75] Zur tieferen Betrachtung der Thematik empfehle ich die Literatur- und Quellhinweise dieser Webseite. Zu Fragen kontaktieren Sie bitte den Webmaster, gerne werden auch Verlinkungen verwandter Stammbäume eingearbeitet. Eine komplette Stammtafel der Familie Miseroni ist hier aufrufbar. |
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Quellenangaben: [Listennummer-Seitenzahl] [1] Rudolf Distelberger, “Archivnotizen zur Familie Miseroni
in Mailand”, in Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien, Band 1, 1999, Seiten 310 - 314 [2] Franti [3] Stammbaumunterlagen aus dem privaten Familienarchiv des Autors [4] Paolo Morigi, in “La nobilitá di Milano V”, erschienen in Milano 1595, Seite 291
[5] Adelsurkunde aus dem Jahr 1608, Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allg. Verwaltungsarchiv, Reichsadelsakten
[6] Gutta Veidl, “Die Prager Bruck” historischer Roman um 1910 geschrieben, 1943 veröffentlicht im Andree Verlag, Prag [7] Rudolf Distelberger, “Beobachtungen zu den Steinschneiderwerkstätten der Miseroni in Mailand und Prag”,
erschienen im Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, Band 74, 1978 [8] Rudolf Distelberger, “Dionysio und Ferdinand Eusebio Miseroni”, erschienen im Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, Band 75, 1979
[9] O.J. Blazicek, “Š [11] Hrady, zámky a tvrze v Cechách, na Moravé a ve Slezsku, Band 4,
Prag, 1985, Übersetzung von Markus Jurziczek von Lisone, vielen Dank an Michaela Lelék aus Norwegen [P1] Foto mit freundlicher Genehmigung des Kunsthistorischen Museums Wien (KHM) für die private Nutzung verwendbar Legende für die Stammbaumtabellen: * Geboren/born, +
Gestorben/ died, >
Datum ist größer als/after then, < Datum ist kleiner als/before then, oo Geheiratet/married Autor/Author: Markus Jurziczek von Lisone, 4/2005 |
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[Familie / Family] [Die Kunst / The art] [Prag / Prague] [Schloß /Castle Krasov] [Verweise / Links] |